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die doppelte Unendlichkeit oder the art of gettin' a recepy

die doppelte Unendlichkeit oder the art of gettin' a recepy
Urlaub- was es bedeutet für mich – und warum ich zufrieden bin – mein erster Urlaubstag – und es gibt nichts zu tun – außer, beim Hausarzt an der Tür mein Rezept abzuholen, genauer gesagt, meine Krankenhausüberweisung.

Habe so lange geschlafen, so überraschend lange , die Sonne scheint und nach dem ersten Kaffee gehe ich hinaus – die paar Kilometer bis zur Haustür meines Hausarztes. Ich könnte sie fahren, mit dem Auto- wär schnell wieder daheim, wie es sonst so ist, wenn man alles schnell erledigen muss. Aber heute kann ich ihn gehen, wie ich ihn gehe, wenn mir das Leben ein Schatz sein darf, zu Fuß, so man das so sagen kann, an den kleinen Flüsschen vorbei, den Schotter der Schönheit des Weges wegen in Kauf nehmend. Es ist heiß heute und schön, ich mag die Mittagswärme. Und als ich gerade aufbrechen will, begegnet mir einer meiner Lieblingsschüler, der vor einem Jahr leider die Schule gewechselt hat, der jetzt auf einem Internat ist, ein ganz kluger heftiger ADSler, den keiner bändigen kann, nicht einmal er sich selbst. Ich hab ihn immer sehr gern gehabt und es tat mir leid, als er ging. Jetzt sehe ich ihn ab und zu hier mit seinem Fahrrad – BMX – Gelände- Vieh- durch die Gegend fahren. Es ist, als sei er verwachsen mit ihm, wie im Fluch der Karibik die Matrosen der Flying Dutchman ins Schiff einwachsen. Aber nie fährt er vorbei an mir, ohne ein paar Worte zu wechseln, und das ist mir sehr wichtig. Wir hatten den selben langen Weg- erstaunlich genug und ich bat ihn eindringlich, die alte behinderte Frau gerne auch einfach mitten drin stehen zu lassen, falls es ihm zu langweilig würde mit mir. Er ging den Weg mit mir bis zum Ende beinahe, wollte gar nicht schneller weg und ich war glücklich, dass es ihm gut ging, dass er erzählte und ich glaube, er freute sich, dass es mich freute. So gingen wir, auf Rädern – bis wir uns trennten.
Es ist schön, wenn man nichts weiter tun muss, als zu gehen, so man das so sagen kann, auch, wenn ich rolle, so gehe ich ja doch im eigentlichen Sinne. Sicher, es macht einen Unterschied, ob man geht oder rollt, es fehlt mir, das Gehen, die Bewegung von abwechselnd links und rechts – es fehlt mir. Aber es ist schön zu gehen, ohne Zeit – ganz ohne irgendeinen Termin, oder eine Verpflichtung oder SMS, oder sonst etwas – einfach nur Zeit ohne Zeit zu haben- und alles so sehen zu dürfen, wie ich es sehe – fein – intensiv, die Blumen, die Häuser – die Schwäne mit ihren Jungen und den traurigen Umstand, das sie nicht mehr zu dritt sind, das Schwanenpaar mit der Gans, immer, wenn Junge da sind, muss sie allein bleiben, die Gans. Sonst sind sie unzertrennlich, die Schwäne und die Gans auf diesem Flüsschen, sie hat sich wohl gerettet eines Tages im Dezember und blieb lieber bei den Schwänen, als im Bräter. Sie fehlte heute, die Schwäne aber waren dort mit ihren übergroßen grauen Babys, und das Flüsschen war hoch vom vielen Regen- so hoch wie nur im letzten Jahr, als kurz drauf, alles Wasser über die Ufer ging und unsere Straßen versperrte und die Keller durchflutete.
Der Sommer duftet und scheint hell in all den Blumen, es ist so schön, das antike Haus zu sehen, an dem ich sonst so verbeirase – und alles, jede kleine Begegnung, jeder kleine Rosenduft und auf dem Rückweg die blühenden Anemonen – Herbstanemonen, aber sie blühen im Sommer noch- und das Leben zu fühlen - nicht wissen, an welchem Punkt man ist, weil es nicht wichtig ist. Es ist gut – so- was kommt- was ist- es ist gut. Der Park mit den Kunstwerken und dem Kindergetrappel auf den Hängebrücken von Baum zu Baum, ach, wäre ich doch auch ein Eichhörnchen, manchmal wäre ich das gern, ein Eichhörnchen. Die Liebenden am Wasser – unten an den Treppen, die ich nicht gehen kann, aber lieben kann ich und mich freuen an den Liebenden dort unten und an ihrem Glück- und einmal eine Frau im Rollator mit Augenmaß, die einfach vorbei geht an mir, ohne ängstlich zu stoppen. Die Welt verwandelt sich, wenn man Zeit hat zu gehen, wenn das kleine allerkleinste zu einem Fest wird, einem kleinen, die besondere Schokolade im Supermarkt, die man sich sorgsam wählt, ohne zu raschen – die Blicke der anderen, die in Eile sind und schnell helfen wollen, weil es anders ist, wenn man statt Eile etwas anderes hat, Zeit – einfach nur Zeit - meine Welt heute ist schön für mich. Sie ist langsam, sie ist sehen, so viele Bilder, dass ich keine Fotos machen mag, außer für Pretali, die mich fragte, welche Schuhe ich trage: heute diese. Und meine nicht sorgsam lackierten Fußnägel, meine Füße indes vom vielen Schlafen so schlank wie früher – vielleicht manchmal schläft man, weil es gut ist, es zu tun – nicht sonst tun, nur sein wie man es fühlt zu brauchen – und dann ein Plausch mit dem Nachbarn, aus dem ein Glas und noch eins wird - terminfrei, perfektionsfrei, zeitfrei

Sally


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Kommentare

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SallySalomee 23.08.2014 11:56
Nachdem mein erster blog mit diesem Text leider zu endlosen Diskussionen über Rechtschreibung, über den "richtigen" Gebrauch des Begriffes recepy usw. geführt hat, versuche ich es jetzt erneut mit dem, was ich möchte. Ich wünsche mir einen Assoziationsaustausch, welche Bilder kommen beim Lesen? Welche Gedanken? Was stört und wenn ja, warum? Was ich denke zum Text ist doppelte Unendlichkeit. Ich glaube, es gibt sehr viele verschiedenen Welten, die man nur erkennen kann, wenn man in eine andere Zeitdimension tritt, oder eine andere Raumdimension. Ersteres geht ja bedingt, aber letzteres, so weit ich derzeit weiß, nicht. So kann ich nicht wissen, wie viele Welten in mir sind und auch nicht, welcher aberwitzig winzige Teil einer anderen Welt ich bin.
 
sumsum 24.08.2014 12:45
ein sehr schöner, feiner Text. Das einzige, was mir das Lesen noch angenehmer gemacht hätte, wären ein paar Absätze. Freue mich auf mehr.
 
SallySalomee 24.08.2014 22:34
stimmt, absätze wären gut, immerhin setze ich inzwischen ab und zu punkte und kommata lachendes Smiley - schreib doch auch was zwinkerndes Smiley würde mich super freuen
 
Eluveitie 02.10.2014 12:11
Das fällt mir zum Thema Unendlichkeit ein, ist zwar nur ein Songtext aber mich ergreift er und ich darf nicht zu intensiv über die Unendlichkeit nachdenken:

The Ravages Of Time

i was much too far out all my life and not waving but drowning

first there is an ocean then there is no ocean then there is
and then we have a mountain range and then a plain and a range again
last there is a desert then a fertile plain then dry again
once there was a people then there were none then some more did live

then there was a city then a pile of rocks and a town again
then they made a weapon that destroyed the lot in a cloud of rain
then they raised a temple to a god who died and failed them
then they left and travelled far and then they flew back home again

in the gardens of the dead when the disembodied entity said
let there be body let there be mind let there be man unkind
she gave the reasoning to me and now the guilt is all on me

i entered in & my seed spread generations spawned from the visions in my head
we raised it up and we pulled it down we advertised and marketed up town
she gave the reasoning to me and now the guilt is all on me

i can tell the world the ravages of time will seek you out
i can tell the world the savageness of mind will find you out

i was destroyed and i lived again my unborn children strengthening the strain
countless lives marching throughout time marking out the details of my crime
she gave the reasoning to me and now the guilt is all on me

i can tell the world the ravages of time will seek you out
i can tell the world the savageness of mind will find you out

and the knowledge that i have gained has been lost again and again and again
but it's really all the same all that has changed is the name
she gave the reasoning to me and now the guilt is all on me

i can tell the world the ravages of time will seek you out
i can tell the world the savageness of mind will find you out
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