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Nächster Halt: Weltkulturerbe!

Nächster Halt: Weltkulturerbe!

Liebe BVG,

Ich finde Euer verrücktes Vorhaben, Weltkulturerbe zu werden genial!
Auch ich habe verrückte Träume, obwohl ich Rheinländerin bin.
Aber einige meiner liebsten Vorfahren und Nachkommen kommen aus Berlin. Darum komme auch ich regelmäßig dorthin und fahre dann natürlich mit Euch, Ihr seid es ja, die Berlin mobil machen! Und gleichzeitig Halt geben!
Bei meinem letzten Besuch konnte ich diesen „Halt, den Ihr seit Jahrzehnten Einheimischen und Besuchern fest und unerschütterlich gebt“, an einer Flughafenbushaltestelle ausgiebig  genießen.
Einer Eurer TXL Busfahrer nahm am 19. Januar 2020 am späten Vormittag das Bewerbungskriterium „Schnittstelle menschlicher Werte in Bezug auf Technik“ sehr ernst und verwandelte die Haltestelle Turmstraße zur besagten Schnittstelle.
Indem er mich von der „riesigen technischen Transportleistung der BVG“  abschnitt.
Nachdem er vorschriftsgemäß angehalten hatte und meine mich begleitende Tochter samt meinem Koffer schon vor mir eingestiegen war, schloss er die Bustüren. Gerade als sie sich umgedreht hatte, um mir mit meinem Rollator beim Einsteigen zu helfen. Sofort warf sie sich heldenmütig in die sich schließende Tür:  zu spät. (Sorry,  aber damals war Klinsmann noch nicht zurückgetreten und wir konnten nicht ahnen, dass der  vorbildliche Fahrgast direkt nach dem Eintritt zügig zurücktritt).
Sie rief dem Fahrer zu, dass ihre schwerbehinderte Mutter noch draußen stehe. Der aber fuhr, unbeirrt von ihren und den Bitten der anderen (sich lautstark einmischenden) Passagiere, wenigstens meine Tochter wieder rauszulassen, los. Und unerschütterlich weiter.
Erschüttert suchte ich derweil Halt an meinem Rollator und sah meinem  „Wunsch nach Mobilität im Kulturraum Berlin“ hinterher.
Abgeschnitten von meiner Tochter. Die mir nicht nur menschlich sehr wertvoll ist, sondern auch den nötigen Halt gibt, um mit meinem Rollator in Eure Busse hinein und auch wieder heraus zu kommen. Abgeschnitten auch von meinem Busticket, das in ihrer Tasche war. Und damit der (zugegeben in dieser verfahrenen Situation sehr theoretischen) Möglichkeit Eure „großartige“ (und von mir leichtfertigerweise im Voraus bezahlte) „technische Transportleistung“  legal nutzen zu können.
Die Haltestelle Turmstraße wurde mir zu einem ausgesprochen konstanten Halt, konstanter, als in meinen kühnsten Albträumen!
Aber dann erinnerte ich mich an Euren großen Traum: Weltkulturerbe!
Nicht gut sondern Weltkulturgut!
Und ich begann zu verstehen. Schließlich fließt auch in meinen Adern Berliner Blut, auch ich habe verrückte Träume.
Wie den, mein Flugzeug rechtzeitig erreichen zu können. Oder den Machu Picchu zu erklimmen. Oder das Great Barrier Reef zu erkunden.
Und dass Ihr natürlich an Euren Barrieren noch arbeiten müsst, damit Ihr mit diesen Weltkulturstätten auf einer Stufe stehen könnt, wurde mir blitzartig klar. Da reichen die Stufen in Eure Transportfahrzeuge, nicht vorhandene oder defekte Lifte, selbstverständlich nicht aus, die finden sich in allen anderen Städten auch! Aber dass Berliner Busfahrer die Haltestellen zu Schnittstellen menschlicher Werte von der technischen Transportleistung umfunktionieren, ist wirklich ein vielversprechender Schritt in Richtung Machu Picchu!
Vom Fiaker zum Fiasko!
Zwar nicht unbedingt gut, aber Weltkulturgut!
Liebe BVG an dieser Stelle nehmt Ihr die Kriterien für Eure Bewerbung zum Weltkulturerbe für meinen Geschmack ein wenig zu ernst.
Vielleicht steht ja an mancher Stelle Spaß vor Ernst?
Gut vor Kulturgut?
Ich liebe verrückte Träume.
Und darum träume ich weiter davon, bei meinem nächsten Berlinbesuch mehr Spaß mit Euch zu haben!

Eure Schirin

Kommentare

 
sophi1 17.02.2020 12:13
Man, Schirin, ein wunderbar geschriebener Text, der den Ernst deiner Lage und die das mangelnde Gut bestimmter techn. Transportmittel und deren Bediener in ironisch- witziger Weise zum Ausdruck bringt. Einfach herrlich. Auch die Irreührung zu Beginn , der Vergleich mit dem Kulturerbe.
Nichtsdestotrotz wollen wir Berlin doch nicht ganz seine Privilegien absprechen in Richtung Weltkulturerbe   .😅              
 
(Nutzer gelöscht) 17.02.2020 12:42
Hier sind die Akteure bei der "menschlichen Veranstaltung ÖPNV" an jemande geraten, die sich mit pfiffigen Worten ['vom Fiaker zum Fiasko'] zu wehren weiß - jut jemacht !

Wenn auch der Job des "Kulturgutchauffeurs" in einer Metropole wie der Bundeshauptstadt oft knifflig und äußerst anspruchsvoll ist, wird sich das BVG-Management gewiss entschuldigend äußern - vielleicht mit einer Freifahrkarte ? Das hat unsereins in Form der Freufahrkarte  (Behi-Ausweis) zwar schon. Aber die Geste zählt !
Und die Leser der (viel zu seltenen) "Schirin-Glossen" bei HL hatten wieder was zum Schmunzeln.

[Tipp: Mache bitte die obige Betrachtung der Rheinländerin auch der Lokalpresse in Berlin zugänglich !]
 
Schirin 17.02.2020 13:48
Gute Idee, Klaus! 

Geantwortet hat die BVG schon, aber nicht direkt entschuldigend. Von einer Freifahrkarte war leider auch noch nicht die Rede.
 
Lionheart68 17.02.2020 14:07
Das ist echt harter Tobac, was sich der Fahrer der BVG geleistet hat, leider kein Einzelfall. Vor ein...zwei Jahren wurden ich und andere Fahrgäste Zeuge davon, wie ein Rollifahrer in den Bus wollte, hilfbereite Passanten machten den Busfahrer auch darauf aufmerksam, null Reaktion von ihm, Tür zu und fuhr davon, unter Protestrufen und Kopfschütteln.

Aber es geht auch anders, ein Busfahrer der selbigen Linie, machte sich die Mühe, stiegt aus, klappte die Rampe im Bus um und half dem Rollifahrer hinein, nachdem alles erledigt war, ging die Fahrt weiter!
 
(Nutzer gelöscht) 17.02.2020 14:20
Da stimme ich zu das war ein "No Go" nur es sind auch nur Menschen und keiner weiß was da vorher schon ablief, ich muss hier als ehemalige Berufsfahrerin (ohne Bus) auch mal "bisserl für die in Bresche springen" ich weiß nicht wie man die Busfahrer da oben behandelt, kanns nur für meine Region sagen und hier sind sie die "Schuhabtreter" für die missgelaunten Fahrgäste und deswegen gibts da dauernd neue Gesichter
 
(Nutzer gelöscht) 17.02.2020 14:36
"Es geht anders" ???

Gewöhnlich ist es den Fahrgästen (=Begleitern) untersagt, hier selbst aktiv zu werden - da muss der Fahrer Hand anlegen; auch bei Regen gilt: "Hintern hoch und angefasst".
 
Schirin 17.02.2020 15:10
Ich habe auch schon andere, sehr hilfsbereite und freundliche Busfahrer erlebt. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren.
Aber bei groben Fahrlässigkeiten zwinkerndes Smiley mal laut genug "Autsch" zu schreien, damit die Probleme Gehbehinderter immer mal wieder benannt und bestenfalls irgendwann gelöst werden, habe ich mir mit diesem offenen Brief erlaubt.
 
Lionheart68 17.02.2020 18:18
Nee Hexl, "Schuhabtreter hin oder her", dieser Busfahrer wurde schon von mehreren Menschen aufgefordert, anzuhalten, aber er fährt stur weiter.
Und wegen solcher Typen von Busfahrern haben dann seine oder andere Kollegen zu leiden.
 
Schirin 17.02.2020 19:27
@ Lionheart:

...und nicht nur die Busfahrer...
 
(Nutzer gelöscht) 18.02.2020 23:50
Wieder mal super geschrieben, Schirin! 
 
Schirin 19.02.2020 22:12
Danke, aletheia! lachendes Smiley
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