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Ein Artikel von: Jens Berger
Die Grünen gehen wie zu erwarten für Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin in den Wahlkampf. Und zum ersten Mal ist das durchaus wörtlich zu nehmen. Gleich in verschiedenen Koalitionsmöglichkeiten – allen voran einer Ampel – könnte Baerbock tatsächlich Angela Merkel im Amt folgen. Von BILD über taz bis zur Süddeutschen ist die Freude groß. Das ist verständlich. Aber auch in den „sozialen“ Netzwerken übertreffen sich selbst als „irgendwie links“ verstehende Nutzer gegenseitig mit Lobeshymnen auf diese Personalie. Warum? Es gibt in Deutschland wohl wenig Politiker gleich welchen Geschlechts, die auf den Feldern der Außen- und Sicherheitspolitik derart aggressiv unterwegs sind wie Frau Baerbock. Das letzte Mal, als die Freude über einen grünen Kanzlerkandidaten so groß war, hieß der Auserwählte Joschka Fischer. Es endete mit Hartz IV, Rentenkürzungen, völkerrechtswidrigen Angriffskriegen und Bomben auf Belgrad. Offenbar haben das Viele schon vergessen. Von Jens Berger.

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Ja, man muss den Grünen ein Kompliment machen. Ihre Entscheidung, mit Annalena Baerbock ins Rennen zu gehen, ist aus wahlkampftaktischer Perspektive ein schlauer Schachzug. Inhaltlich und rhetorisch kann die Kandidatin ihrem Konkurrenten Robert Habeck natürlich nicht das Wasser reichen und selbst unter eingefleischten Grünen-Fans gibt es wohl niemanden, der Baerbock nun auf der inhaltlichen Ebene für besonders profiliert oder gar für eine große Denkerin hält. Aber darum geht es bei den Grünen doch ohnehin nicht.

Die Grünen sind eine moderne Partei, wahrscheinlich sogar die modernste Partei in Deutschland. Inhalte wurden überwunden, es geht um Gefühle. Das wissen schlaue Politstrategen. Man kauft einen Joghurt schließlich auch nicht, weil er hochwertige Inhalte hat, sondern weil das Marketing einem das Gefühl vermittelt, sich mit diesem Produkt gesund zu ernähren oder gar die Welt zu retten. Und seien wir doch mal ehrlich: Das Angebot der Spitzenkandidaten bei der kommenden Wahl ähnelt doch sehr stark einem Joghurtregal im Supermarkt – uniforme Produkte, die sich weniger durch ihre Inhalte, sondern mehr durch ihre Verpackung und das damit verbundene Image unterscheiden, mit dem die Werbestrategen ihre Produkte positionieren wollen. Und zwischen den grauen altbackenen Produkten Laschet und Scholz wirkt die junge Mutter, die gerade eben wegen ihres fehlenden politischen Profils als etwas „Neues“ und „Anderes“ wahrgenommen wird, irgendwie attraktiver. Das wird so manchen Käufer – sorry, ich meinte natürlich Wähler – überzeugen.

Und schon bin ich selbst in die Falle gegangen. Genau dies ist schließlich der PR-Trick der Grünen. Denn das Produkt Annalena Baerbock ist keinesfalls so belanglos, wie es – wie man in der Marketingsprache sagen würde – positioniert wird. Vor allem auf dem politischen Feld der Außen- und Sicherheitspolitik ist Baerbock vielmehr eine neue kalte Kriegerin, wie es sie in der politischen Landschaft Deutschlands selten gibt. Ein paar Beispiele:

Erst kürzlich bekannte Baerbock in einem Interview mit dem ZDF, Deutschland brauche „dringend eine klare außenpolitische Haltung gegenüber dem russischen Regime“ (sic!) und forderte abermals „schärfere Sanktionen“ gegen das „System Putin“.
Baerbock fordert schon lange einen sofortigen Baustopp der Pipeline Nord Stream 2. Vor allem die Begründung hat es in sich: Die Pipeline laufe – so Baerbock – „den geostrategischen Interessen der EU“ zuwider, „destabilisiere die Ukraine“ und „konterkariere den klaren Russlandkurs auf EU-Ebene“. Victoria („Fuck the EU&ldquozwinkerndes Smiley Nuland wäre stolz auf die grüne Kandidatin.
Baerbock tritt klar für höhere Ausgaben für Verteidigung und Bundeswehr ein und befürwortet zusätzliche Auslandseinsätze. „Wir dürfen uns nicht wegducken“, so Baerbocks sicherheitspolitisches Mantra. „Wenn der Westen Ländern wie China, Russland oder der Türkei nicht das Feld überlassen will“, müsse „Europa seine Friedensrolle in der Welt ernster nehmen“. Das sind genau die bellizistischen Töne, mit denen die Grünen sich bereits seit Langem von ihrer früheren Friedenspolitik verabschiedet haben.
Dem neuen US-Präsidenten Biden will Baerbock dann auch „ein ambitioniertes Angebot für eine erneute transatlantische Agenda unterbreiten“.
Diese Positionen und Zitate lassen keinen Zweifel. Man sollte Annalena Baerbock nicht verharmlosen. Unter der Schale der oft unbedarft, aber dabei sympathisch wirkenden jungen Frau stößt man schnell auf eine kalte Kriegerin, die ohne mit der Wimper zu zucken für eine Spannungspolitik und militärisches Vorgehen im Sinne einer europäischen oder transatlantischen Geostrategie eintritt. Was mit den Bomben auf Belgrad begann, setzt sich in Person von Annalena Baerbock nahtlos fort.

Es ist also naiv, die Kandidatin nun für ihre „Wertschätzung, Menschlichkeit und Empathie“ zu loben, wie es die Süddeutsche in einem hanebüchenen Artikel auf ihrer Jugendseite vormacht. Und vor allem sich selbst als links empfindende Gratulanten sollten lieber früher als später die Kandidatin einem Realitätscheck unterziehen. Denn bei näherer Betrachtung wirkt Baerbock eher wie ein junger weiblicher Wiedergänger von Joschka Fischer als wie eine progressive Politikerin, die eine Alternative zu was auch immer darstellen könnte.

Titelbild: Foto-berlin.net/shutterstock.com

Kommentare

 
unica 26.05.2021 22:44
Annalena Charlotte Alma Baerbock 😉
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