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Sensibler Sprachgebrauch bei Armut

Sensibler Sprachgebrauch bei Armut
Ab und zu helfe ich in meinem Stadtteil  ehrenamtlich bei der Tafel aus. Dort wird gerne von "sozial schwachen" Kunden gesprochen. Viele davon leben seit Jahren in meiner Nachbarschaft, sind familiär gut eingebunden und nehmen am Gemeindeleben teil. Sie haben nur wenig Geld.  Kann man sie "sozial schwach" nennen?

In einem Artikel einer bekannten Tageszeitung ist von einem "bildungsfernen" Stadtteil in Berlin die Rede. Wie jetzt? Alle haben keine Bildung? Im ganzen Stadtteil? Ich kenne da aber einen, der an der Hochschule war. Und ist der auch "bildungsfern"?
In diesem Stadtteil leben viele arme  und von Armut bedrohte Menschen.

Dass wir nicht mehr "Negerkuss" und "Zigeunersoße" sagten war der Anfang eines langjährigen sprachlichen Bewusstseinsprozesses, der sich um die  Vermeidung von Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen dreht.

Inzwischen wird auf religions-,geschlechts-,herkunfts-, ect. spezifischen sensiblen Sprachgebrauch geachtet. Schön, dass das so ist.

Die Anzahl der armen oder von Armut bedrohten Menschen nimmt rasant zu. Ist es nicht an der Zeit, sich auch dafür einer sensibleren und weniger diskriminierenden  Sprache zu bedienen?

Kommentare

 
Simphony86 20.08.2022 10:34
Nein nennt sich Klassismus, wird ja auch super praktiziert im sogenannten "Trash-TV" Was als Unterhaltungs-TV dienen soll am Nachmittag, man soll sich über die "ungebildete Unterschicht" amüsieren.
 
Frangipani1962 20.08.2022 10:41
Klassismus ist ein neosozialer Begriff und in den letzten Jahren erst entstanden. Du hast Recht, Symphony, die entsprechenden TV- Sendungen haben zur Meinungsbildung nicht unerheblich beigetragen.
 
CookieJulez 20.08.2022 10:44
Ich sage gerne "finanziell benachteiligt", weil ich finde, dass es den Umstand gut beschreibt. Aber ich weiß nicht, inwieweit der Begriff breitflächig angenommen werden würde.
 
SchwarzeKatze 20.08.2022 10:47
Sozial schwach sind für mich eher Milliardäre, die Steuerpflicht betreiben.

Aber zum Rest Deines Beitrags: Wir leben leider noch immer in einer Klassengesellschaft.  Die Ungerechtigkeit beginnt schon vorgeburtlich.  Wenn ein Kind 10 Jahre alt ist,  wird es endgültig in eine Schublade einsortiert und der weitere Werdegang ist weitestgehend klassenbedingt vorherbestimmt.  In sehr seltenen Fällen gibt es Menschen,  die dennoch später studieren,  aber selbst sie sind dann weiteren klassistischen Begebenheiten ausgesetzt.  Das fängt leider schon beim Habitus an.  Über diesen wird man von höheren Bildungsschichten immer als nicht "gleich"  identifiziert.  Egal,  ob man seinen Sprachstil oder seine Kleidung ändert. 
 
SchwarzeKatze 20.08.2022 10:48
@Frangipani Das Wort Klassismus ist schon neu,  aber Marx hat ja auch schon bereits über die Klassengesellschaft geschrieben. 
 
CookieJulez 20.08.2022 10:48
Ich habe mich immer wieder mit meinem Freund über den Begriff "Betreute" (Menschen, die in einer Einrichtung leben, in welcher sie bei alltäglichen Dingen unterstützt werden) unterhalten. Er ist Heilerziehungspfleger und sagt, dass der Begriff (den ich gerne nutzen würde) "Schützlinge" veraltet und politisch inkorrekt sei. Ich persönlich finde, dass "Betreute" sich sehr viel unselbständiger anhört und ich empfinde das daher als abwertend. Schützling dagegen finde ich gut, weil ich finde, dass seine Tätigkeit unterstreicht - nämlich, dass er die Menschen die dort wohnen, schützt, dass er sie behütet und ihnen hilft.

Ich weiß, dass ist nicht Thema dieses Blogs, aber Frangipani, vielleicht darf ich die Debatte ja trotzdem hier führen?
 
SchwarzeKatze 20.08.2022 10:50
@CookieJulez Man ist leider nicht nur finanziell benachteiligt. Als Begriff würde ich z. B.  Arbeiterfamilien oder Kinder aus Arbeiterfamilen empfehlen.  
 
Frangipani1962 20.08.2022 10:52
SchwarzeKatze, dacor, ein bewusster Sprachgebrauch könnte jedoch ein Schritt in die richtige Richtung sein und eines fördern: Respekt.
Cookiejulez: ich finde die Formulierung gut, aber warum nicht das Wort "arm" auch benutzen, wenn es zutrifft. "Sozial schwach" finde ich wesentlich diskriminierender.
 
Frangipani1962 20.08.2022 10:53
Cookie, gerne hat hier alles Platz was zum friedvollen 😊Austausch im sozialen Kontext passt!
 
CookieJulez 20.08.2022 10:54
Hängt letzen Endes nicht auch das gesellschaftliche Ansehen und die Chancen(un)gleichheit mit den finanziellen Verhältnissen einer Person in Deutschland sehr eng zusammen, Katze?
 
CookieJulez 20.08.2022 10:55
Danke, Frangipani! 😘
 
Frangipani1962 20.08.2022 10:57
Eine Begrifflichkeit ist m. E. immer negativ, wenn sie ein "Gefälle" impliziert und positiv wenn "Augenhöhe" damit in Verbindung gebracht wird.
 
Maitau 20.08.2022 10:58
Wie wäre es von Armut betroffene Menschen zu sprechen?
 
Steinbock75 20.08.2022 10:58
Ich würde es wirtschaftlich schwach bezeichnen. Denn sozial schwach ist für mich eher wat anderes.
 
CookieJulez 20.08.2022 11:00
Was haltet ihr von "sozial schwierigen Verhältnissen" / "Eine Person aus sozial schwierigen Verhältnissen"?
 
EinedieserSteine 20.08.2022 11:00
Meines Erachtens ist es Wurscht wie man nun dazu oder über diese Menschen sagt / redet. Genauso wie über andere sogenannte Randgruppen.

Wir sind 8 Milliarden Leute auf diesem Planeten.

Genau diejenigen, die immer beklagen, dass andere ach so chancenlos sind wünschen sich das wohl so.

Fakt ist, dass unser Bildungssystem kostenlos ist, es gibt Schulpflicht, BAFÖG und Stipendien.
 
Frangipani1962 20.08.2022 11:01
Das wird aber ständig in den Medien getrommelt Steinbock " sozialer Brennpunkt" "sozial schwach" , "sozial benachteiligt" sollen ganze Stadtteile sein.
 
CookieJulez 20.08.2022 11:02
BAFÖG, das vom Wohlwollen der Eltern abhängt? Stipendien, die nicht jedem zugänglich sind? Und eine Schulpflicht, die relativ einfach rechtlich umgangen werden kann, EinedieserSteine?

Hört sich für mich nicht besonders vielversprechend an.
 
Steinbock75 20.08.2022 11:05
Na ja Frangi das ist wieder die Sache mit dem über einen Kamm scheren. Wer finanziell bzw. wirtschaftlich schwach ist, ist in meinen Augen nicht sozial schwach. Sozial heißt Gesellschaft, also sind eher Menschen die gegen die Gesellschaft sind sozial schwach.
 
Steinbock75 20.08.2022 11:06
Und natürlich gibts solche Bezirke und die haben eine hohe kriminelle Struktur.
 
Frangipani1962 20.08.2022 11:06
Cookiejulez, das "sozial" finde ich daran nicht gut. Wer kein Geld hat ist doch nicht " nicht" sozial. 
Denke mal an die Akademiker, die durch Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung ect. in das Hartz 4 gerutscht sind . Kann man da von "sozial schwierigen Verhältnissen" reden?
 
Maitau 20.08.2022 11:06
Irgendwie greift da eins ins andere, wenn ich keine Kohle habe, kann ich auch oft nicht am sozialen Leben teilhaben..
 
Julio1981 20.08.2022 11:07
Ich finde das Wort "arm" genauso unproblematisch, wie die oben angeführten Wörter "Negerkuß und Zigeunerschnitzel". Und wer glaubt, daß sich irgendwas am Status Quo ändert, wenn man unsere Sprache ständig umkrempelt, der irrt. Anstatt sich Gedanken um die Begrifflichkeiten zu machen, sollte lieber an den Wurzeln der Armut angesetzt werden. Faire Löhne, günstige Mieten und Lebenshaltungskosten, ausreichende soziale Unterstützung durch den Staat, bessere ausstattung der Tafelläden usw. 

Nur bei Worten, die eine Wertung enthalten, sollte man etwas überlegter vorgehen. Nicht alle Menschen, die in einem Brennpunktviertel leben, sind z. B. bildungsfern. 
 
Thohom 20.08.2022 11:07
Hm...was ändert es, wenn man nur ein anderes Wort nimmt?

Wenn man früher keine Kohle hatte, war man arm. Jetzt wird da umschrieben und es kommt trptzdem nix anderes dabei raus.
 
Steinbock75 20.08.2022 11:08
Das stimmt Maitau, trotzdem ist man dann noch lange nicht sozial schwach in meinen Augen.
 
Frangipani1962 20.08.2022 11:08
EinedieserSteine, nein das ist nicht Wurst. Sprache bildet Meinung, Meinungen führen zu Einstellungen, Einstellungen sind die Grundlage für Taten
 
CookieJulez 20.08.2022 11:10
Frangipani, an die brauche ich nicht zu denken. Ich bin selbst so eine. 😉

Aber ich würde dir da widersprechen. Klar, habe ich bessere Chancen und eine Zeit lang einen besseren gesellschaftlichen Status. Aber letzten Endes kann ich durch meine schlechte finanzielle Situation kaum am gesellschaftlichen Leben frei teilhaben. Und somit fühle ich mich tatsächlich auch sozial benachteiliigt. Ich kann nur darauf hoffen, dass möglichst viele Menschen Verständnis für meine Situation haben und sich darauf einlassen, kostenlose kulturelle Angebote zu nutzen, anstatt Geld auszugeben. Gott sei Dank passiert mir das immer wieder. Nichtsdestotrotz.
 
Thohom 20.08.2022 11:10
Aha....dann kommen jetzt die "Nicht-Reichen".
 
Steinbock75 20.08.2022 11:12
Nee, dit wär ja dann die sogenannte Mittelschicht Thohom. Die och langsam verschwindet.
 
CookieJulez 20.08.2022 11:12
Ich kann mich auch nicht durch meine Kleidung einer gesellschaftlichen Gruppe zuordnen. Ich kann mir nur das leisten, was wenig kostet.
 
Maskentanz 20.08.2022 11:13
Sozial schwach umfasst für mich mehr, als finanziell schwach. Ich habe selbst aus Gründen auf Hartz-IV-Niveau gelebt mit Arbeit, aber ich war keineswegs sozial schwach. 

Sozial spricht ja sehr viel auch davon, wie wir miteinander umgehen, wie wir unser Leben gestalten und nur zu einem Teil von unseren finanziellen Möglichkeiten. 
 
Frangipani1962 20.08.2022 11:15
Cookijulez, ganz ehrlich mal. Kann man heute durch Kleidung Personen einer gesellschaftlichen Gruppe zuordnen?
Da kann man sich aber gewaltig täuschen. 
 
Frangipani1962 20.08.2022 11:16
Maskentanz, sehr gut formulert, danke dir dafür. 🙂
 
Steinbock75 20.08.2022 11:17
Jenau, oft mehr Schein als Sein. 
 
Steinbock75 20.08.2022 11:18
Sag ick ja Maskentanz.😂
 
Thohom 20.08.2022 11:18
Böckchen...alles ein Frage des Standpunktes.

Die in der Mittelschicht sind auch nicht reich....warum da noch abgrenzen?
Reich und arm gibt es....wie passt mittel da rein?😅
 
Frangipani1962 20.08.2022 11:19
Und was es alles an Fakes gibt ,Steinbock. Nicht nur an Profilen, auch an "Markenklamotten"😅
 
Maskentanz 20.08.2022 11:20
Maitau, "wenn ich keine Kohle habe, kann ich oft nicht am sozialen Leben teilhaben." 

Sehe ich nicht ganz so. Ich kann nicht ganz so an dem sozialen Leben teilhaben, für das man etwas bezahlen muss. 

Ich kann mir aber ein soziales Leben organisieren, in dem ich mit anderen Kontakt habe, in dem ich mich für andere interessiere, ohne dass ich das mit Geld bezahlen muss. 

Und wenn ich sparsam lebe, kann ich mir auch einmal etwas leisten, wie Kino- oder Theater- und Konzertbesucher, ein Buch kaufen etc. 

Das ist dann nicht Alltag, das ist richtig. Es ist etwas Besonderes. 
 
Steinbock75 20.08.2022 11:21
Jep Frangi. 
 
Simphony86 20.08.2022 11:21
Naja Friedrich Merz hat auch mal behauptet zur Mittelschicht zu gehören, da fällt mir eher das Wort Realitätsverlust ein.
 
Steinbock75 20.08.2022 11:22
Passt sehr gut da rein Thohom. Bei Klamotten gibt's ja och M, L und XL.😉
 
Thohom 20.08.2022 11:24
Maskentanz, in HH gibt es oft kostenlose Eintrittskarten für Leute ohne Kohle. Ich denke mal, dass es das nicht nur in HH gibt. Kulturelles Leben wird so für alle Schichten gefördert.
 
Maskentanz 20.08.2022 11:25
Stimmt Thohom, das kommt noch dazu. Das haben wir auch genutzt. 
 
Simphony86 20.08.2022 11:27
Weil arme Leute auch in HH wohnen können
 
Maitau 20.08.2022 11:28
Maskentanz.. Deswegen schrieb ich ja auch oft, und nicht gar nicht..
Natürlich brauche ich nicht immer Geld, wenn ich mich z.B. mit meinen Freunden treffe..
Wenn diese aber etwas unternehmen, kann ich oft nicht daran teilhaben, wenn ich knapp bei Kasse bin..
 
(Nutzer gelöscht) 20.08.2022 11:28
Ich finde auch ,dass es letztlich nicht darauf ankommt, was da so im Sprachgebrauch benutzt wird. Viel wichtiger erscheint mir doch ,dass der Umgang mit diesen Menschen doch letztendlich ein guter ist, was sich ja auch oft schwierig gestaltet ,da Armut ,wenig Geld ,oft Menschen zu Außenseitern macht...und das beginnt schon damit ,dass diese Menschen ,wenn sie auf Geld vom Staat angewiesen sind ,schon dort dementsprechend schlecht behandelt werden.....weil oft auch Armut, gleichgesetzt wird mit ..die haben doch eh nix in der Birne und mit denen kann man machen ,was man will...weil sie ja abhängig sind,von unseren Geldern.....da finde ich ist der Haken. 
 
Frangipani1962 20.08.2022 11:29
Simphony, arme Bürger gibt es in allen Städten, dann eben in "bildungsfernen Stadtteilen" *Ironie off.*
 
Thohom 20.08.2022 11:32
Simphony...warum soll das die in HH nicht geben?
 
Steinbock75 20.08.2022 11:32
Sternschnuppe ist doch bei der Partnersuche leider och öfter so. Och da wird man, warum och immer, schon mal aussortiert.
 
Simphony86 20.08.2022 11:34
Stimmt komischerweise zeigt Hamburg nur den Mietspiegel für normale und gute Wohnlage an...
 
Frangipani1962 20.08.2022 11:34
Sterbschnuppe, alles gut was du schreibst,
Aber wenn ich einer alten Dame, die drei Kinder groß gezogen und Teilzeit gearbeitet hat, deren Mann früh verstorben ist, den Korb mit Lebensmittel voll mache und sie erzählt mir von den Enkeln und vom Marmelade einkochen, trifft auf die dann der Begriff "sozial schwach" zu, mal ganz ehrlich...
 
Frangipani1962 20.08.2022 11:35
Entschuldigung, natürlich "Sternschnuppe" 😊
 
Wolfgang0308 20.08.2022 11:36
Arm, warum?

..  https://youtu.be/to_3ZykGIEk
 
Frangipani1962 20.08.2022 11:37
Ich möchte bitte keine weiteren Videos in meinem Blog. Danke Wolfgang
 
EinedieserSteine 20.08.2022 11:37
Wo wird denn die Schulpflicht rechtlich umgangen @ cookiejules?
 
(Nutzer gelöscht) 20.08.2022 11:39
Ja, deswegen so finde ich , sollte auch da ,der Mensch nicht erstmal aussortiert werden ..sondern der Blick auf den gesamten Menschen geworfen werden .Keiner oder sagen wir mal ,die wenigsten sind arm....weil sie einfach ihr Leben noch nie auf die Reihe bekommen haben.Meist sind die Auslöser...Trennung, Arbeitverlust oder Krankheit. 
 
Steinbock75 20.08.2022 11:40
Ick schweife mal kurz ab. Vor Jahren hatte man mal die Idee Schuluniformen einzuführen, fand ick ne tolle Sache. Weil so auch keiner mehr sehen konnte ob arm oder reich sozusagen. Kinder müssen ziemlich einstecken wenn man nun mal nicht die teuersten Klamotten trägt. Oder wenn sie teuer sind wirst beklaut. Leider hat sich dit nicht durchgesetzt. Schade, den da fängt es ja schon an. Diese Gruppierungen.
 
Aliya 20.08.2022 11:42
Ich bin auch der Meinung, dass der Begriff Armut / "von Armut betroffen" nicht generell abwertend, verletzend oder despektierlich ist... dass im Gegenteil "sozial schwach", "bildungsfern" und "Unterschicht" sehr viel (ab)wertender und dazu begrifflich irreführend sind.
Meinem Gefühl nach wird das Wort Armut von Leuten nicht unbedingt deswegen vermieden, um die BETFOFFENEN auf wertschätzende Weise zu beschreiben, oder ihnen nicht zu nahe zu treten, sondern weil der Begriff manchen Menschen zu unangenehm zu verwenden ist!

Das unterscheidet die Situation auch deutlich von der "Zigeuner"-Debatte... da ist es umgekehrt: die so Bezeichneten wollen KORREKT als Sinti und Roma benannt werden und es sind vor allem Menschen, die NICHT dieser Herkunft sind, die übergriffig postulieren, man solle sich nicht so anstellen.

Kann es zum Teil daran liegen, dass Armut auch ein Problem der EIGENEN Bevölkerungsgruppe ist, dass man daher zum einen nicht ausschließen kann, dass es einen auch selber mal betreffen könnte? Und dass man gegenüber Angehörigen der eigenen Gruppe immer bewusster/rücksichtsvoller gegenübertritt als "den Anderen"?
 
Maskentanz 20.08.2022 11:43
Sternschnuppe hat von Arm geschrieben und nicht von sozial schwach 🤔.

Ich gebe ihr da recht. Wir suchen immer wieder neue Begriffe, um Menschen nicht ganz so auszugrenzen, oder nicht zusätzlich herabzusetzen. 

Zum Teil erscheint mir das wie ein neuer Anstrich, dann sieht das alles schon ganz anders aus, nicht ganz so schlimm. Das nicht ganz so schlimm bezieht sich dabei nicht auf die finanzielle Situation. 

Ich habe ehrlich gesagt auch keine Lösung, aber müssen wir vielleicht Gesellschaft künftig anders denken? 
 
Frangipani1962 20.08.2022 11:44
Steinbock: Die Kurzen tun mir am meisten leid in der der Diskriminierungskette. Die wachsen in was rein, was ihnen immer anhaftet. 
 
(Nutzer gelöscht) 20.08.2022 11:45
@Frangipani....sozial schwach...hat ,wie ich oben schon geschrieben habe ,eben immer so einen leichten Beigeschmack von.....nichts auf die Reihe bekommen. Das ist dann ja auch so ,aber völlig unverschuldet oft von denen ,die es betrifft....weil ihre Lebensumstände eben so waren ,dass es letzlich dazu gefuehrt hat ...eben jetzt in dieser Situation sein zu müssen.
 
Steinbock75 20.08.2022 11:48
Ja Frangi, deshalb sollte man da och anfangen.
 
Julio1981 20.08.2022 11:49
@Steinbock: Ich glaube nicht, daß Schuluniformen hilfreich sind. Dann wird die "soziale Auslese" von den Schülern eben an so Dingen wie dem Handy, der Schultasche o. ä. vorgenommen.
Und heute ist jeder Schulstart nach den Ferien für viele Eltern schon finanziell anspruchsvoll genug. Die Schulen geben den Schülern Einkaufslisten mit nach Hause und die Eltern müssen dann schauen, wie sie das Zeug finanzieren. Inzwischen wird in manchen Bundesländern ja auch noch Geld für Bücher usw. verlangt. Wenn die Eltern dann auch noch Geld für -sicherlich nicht günstige- Uniformen bereithalten müßten, wäre das für viele sicher kaum zu schultern.
 
Frangipani1962 20.08.2022 11:50
Aliya, für uns Deutsche ist die Armut auch etwas relativ neues. 
Arm, igitt, das waren früher die Menschen in Indien oder Afrika. So dachte der Wohlstandsbürger/Wirtschaftswunderenkel.
Dass wir jetzt in Deutschland eine große Zahl Wohnungsloser haben und die Tafeln die Lebensmittel nur mit Mühe herbei schaffen können ist noch nicht bei allen auf der Festplatte verankert.
 
Steinbock75 20.08.2022 11:52
Julio, ich denke auch da gibt's Lösungen. Und was Schulsachen angeht gibt's och Zuschüsse. Irgendwo muss ja nun mal angefangen werden. Handys in der Schule kann man zum Beispiel untersagen. 😉
 
(Nutzer gelöscht) 20.08.2022 11:58
Ich finde Umdenken immer richtig. Worte, die man vor 100 Jahren gebraucht hat, sind diskriminierend und oft abwertend. Wir bemerken leider manchmal nicht, was Worte auslösen und bewirken können. Deshalb finde ich diesen Blog sehr gut. Und bisher gefällt mir der Ansatz von Steinbock am besten. 
 
Maskentanz 20.08.2022 12:00
Ich weiß jetzt gar nicht, ob mein Denken sehr ungerecht ist:

Die Anspruchshaltung von Menschen hat sich sehr geändert. Viele sind der Meinung, auf alles einen Anspruch zu haben. 

Lebenskunst besteht aber darin, aus den Bedingungen meines Lebens das Beste zu machen. 

Dann ist es auch so, dass es kann nicht immer nur Wachstum geben kann. Das ist neben der außenpolitischen Situation eine Gesetzmäßigkeit. Die Krisen fordern allen viel ab. Und ja, es gibt immer wieder auch die "Gewinner" und die Schere Reich und Arm geht immer weiter auseinander. 

Das ist sicher zu diskutieren. 

Im persönlichen Leben kann ich trotzdem gut überleben. Dafür tritt der Staat letztendlich auch ein. Es müsste keiner obdachlos sein, oder hungern. 

Das sind dann wieder Themen, dass Menschen (aus welchen Gründen auch immer) es nicht schaffen, für sich einzustehen. Diese brauchen einen wahren Sozialstaat, sie brauchen die Unterstützung, ihr Leben gelingen zu Leben. Und sie müssen diese Unterstützung auch wollen. 

Hintergrund meiner Gedanken ist, dass ich selbst einen Teil meiner Kindheit nicht in Deutschland verbracht habe und wir gemeinsam mit den Einheimischen auf dem Land gelebt haben mit Lebensmittelmarkt, mit Stromausfall, kein Gas zum Kochen ... und trotzdem gelingen gelebt haben. 

Da war aber auch ein Aspekt: es ging da allen so. Man hat sich nicht so abgehängt gefühlt? 
 
Maskentanz 20.08.2022 12:02
Lebensmittelmarken
 
(Nutzer gelöscht) 20.08.2022 12:03
Ich finde es nicht gut, alles immer umbenennen zu
wollen. Sollen wir zu einem Arbeitslosen zukünftig
Nichtarbeitenwollender, Nichtarbeitfindender oder
aus wirtschaftl. Lage ...Wirtschaftsabhängiggekündig-
terarbeitslose oder Krankheitsbedingterarbeitsloser?🤔
Wer arm ist, hat nicht genügend Geld für den Lebens-
unterhalt, dafür viell. reicher an Geist.
 
Frangipani1962 20.08.2022 12:07
Steinbock, weil du das Thema "Schule" berührt hast: es gibt auch einen im pädagogischen Feld üblichen Begriff, der "erziehungsschwierig" heisst. Der Begriff wird für Kinder verwendet, die im Klassenverband schlecht lernen können.
Das ist auch diskriminierend, weil der Anteil der Umstände, der Erziehungsberechtigten und der Schule an der "Erziehungsschwierigkeit" sich im Begriff nich wiederspiegeln.
Das Kind ist erziehungsschwierig.Punkt.
 
Steinbock75 20.08.2022 12:08
Du Maskentanz, ick komme ja aus dem Osten und ick will jetzt och keen Klichee. Aber ick hatte ne schöne Kindheit och wenn's knapp war. Aber wir hatten alle die selben Klamotten an, da jab es keen reich oder arm. Dit hat man erst bemerkt wann man bei anderen zu Hause war. Aber keener hat den Larry raushängen lassen. So wat wünsche ick den Kinder und Jugendlichen heute.
 
(Nutzer gelöscht) 20.08.2022 12:10
Mir fiel gerade doch noch eine Umbenennung ein:

Wer arm ist und die vielen alltäglichen Probleme,
Hindernisse, Einschränkungen bewältigt, das sind
für mich Überlebenskünstler.
 
Steinbock75 20.08.2022 12:11
Wie würdest du dann Lernschwierigkeiten benennen Frangi? Früher hieß dit bei uns schwer erziehbar.
 
Frangipani1962 20.08.2022 12:12
Krebschen, es geht nicht darum, alles um zu benennen. Aus meiner Perspektive geht es um Respekt gegenüber Menschen, die nicht so viel Glück im Leben hatten wie andere.
 
SchwarzeKatze 20.08.2022 12:12
@CookieJulez "Hängt letzen Endes nicht auch das gesellschaftliche Ansehen und die Chancen(un)gleichheit mit den finanziellen Verhältnissen einer Person in Deutschland sehr eng zusammen, Katze?"

Es ist ein strukturelles Problem und tiefgreifender.  Es geht eigentlich um Maxht- und Herrschaftserhalt der 1%. 
 
SchwarzeKatze 20.08.2022 12:12
*Macht
 
Maskentanz 20.08.2022 12:14
Steinbock ja, ich komme ja auch aus dem Osten und sehe das wie du. 

Aber ein Teil der Ostdeutschen kann auf diese Erfahrung nicht mehr zurückgreifen. 

Da ist ein sich abgehängt fühlen, ein wir-haben-verloren, wir wurden belogen ... 

und kein Stolz auf das, was jede(r) auch im Leben geschafft hat. Es fehlt der "Lebensmut", auch die Kreativität, sein Leben gelingen zu Leben. 
 
Steinbock75 20.08.2022 12:16
Ick wees.😔
 
(Nutzer gelöscht) 20.08.2022 12:20
Ich bin in einem Vorort von Leipzig groß geworden, wo die reichen Handwerker, Künstler, Mediziner usw. in schicken Villen wohnten. Meine Mutter, allein erziehend und wir zwei Kinder, waren immer ausgeschlossen. Teilweise durfte ich Klassenkameraden nicht besuchen, weil wir in den Augen der Eltern asozial waren.  Das Geld reichte immer bis zur Mitte des Monats, es gab Fettbemmen (Schmalzbrote) zu essen und wir konnten an vielen Dingen nicht teilnehmen. Eigentlich unvorstellbar in der DDR. Mich hat das sehr geprägt, auch dieses Schamgefühl. 
 
Frangipani1962 20.08.2022 12:21
Steinbock, ich bin zwar nicht jugendpädagogisch unterwegs, frage mich aber trotzdem, warum alle  Kinder eine Schublade haben müssen. Es kann in der Entwicklungszeit noch viel passieren. Dass das für Eltern und Erzieher eine Herausforderung ist....keine Frage.
 
Thohom 20.08.2022 12:22
Maskentanz...."wir wollten"....hat Du vergessen.

In der DDR wurde eine Regierung frei gewählt, die dann das eingeleitet hat, was "Das Volk" wollte. Reisefreiheit, F-Mark, volle Regale.

Bei der ersten gesamtdeutschen Wahl hat man einen Lafontaine, der von schweren Zeiten sprach, die kommen werden, vorsichtshalber nicht gewählt.
Nein, die DDR Bürger haben ihr Leben selber in die Hand genommen und bestimmt nicht immer daneben gegriffen.
 
Steinbock75 20.08.2022 12:23
Tut mir leid das du es so erlebt hast Kichererbse. Da war wohl die Wohngegend eher Schuld. Ick komm aus Lichtenberg und war sozusagen Arbeiterviertel.
 
Steinbock75 20.08.2022 12:25
Frangi nicht nur Kinder gehören in keine Schublade. Jeder gehört da nicht rein nur tun wir das doch fast tagtäglich, oder? 
 
MarioErnst1971 20.08.2022 12:29
Ich verstehe sowieso nicht, warum man Menschen anhand ihres Lebensstandarts oder ihrer gesellschaftlichen Stellung bezeichnet.

Wofür haben wir Vor & Nachnamen...
 
MarioErnst1971 20.08.2022 12:29
Das geht schon beim Kennenlernen los,
wenn die Frage nach dem Namen vorbei ist, kommt die Frage nach dem Beruf...
 
Frangipani1962 20.08.2022 12:30
Da hast du wohl recht Steinbock, aber die Kurzen gehören da weniger rein als die Alten. Denn da ist noch Raum zur Weiterentwicklung, zum Wachstum, zum Lebenslernen.
Jetzt komm mir nicht damit, dass die Alten das auch haben 😅
 
Steinbock75 20.08.2022 12:31
Okay 🤐
 
Steinbock75 20.08.2022 12:32
Mario dit hab ick weiter oben ja schon geschrieben. Selbst bei der Partnersuche ist dit so 
 
Simphony86 20.08.2022 12:33
In jungen Jahren kann man besser auswendig lernen, Zahlen und Fakten werden in dieser Lebensphase schneller erfasst. Im Erwachsenenalter kann man das Gelernte aber viel besser vernetzen. Insgesamt gilt: Man ist nie zu alt, um Neues zu lernen 😜
 
Maskentanz 20.08.2022 12:45
Frangipani 12:30 Uhr, doch - die Kurzen gehören für mich da auch rein. In ihnen wird die Grundlage gelegt, auf denen sie ihr Leben aufbauen können und das halte ich für unbedingt erforderlich. Was wir als Gesellschaft da versäumen, wird sich in der Zukunft rächen. 

Und ich denke mit meinen 61 Jahren, ich darf, möchte und muss mich weiterentwickeln und immer wieder dazulernen. 

Wenn ich stillstehe, kann ich ja gleich sterben wollen. Wem das zu schwarz ist, Streiche für sich den letzten Satz 😎.
 
Maitau 20.08.2022 12:48
Steinbock 11.08 (sorry, jetzt erst gelesen)
Ich finde den Begriff "sozial schwach" auch falsch oder irreführend. 
Vielleicht ist das noch von früher in den Köpfen, wo es noch Sozialamt und Sozialhilfe hieß..?
 
Tommie53 20.08.2022 12:51
„sozial schwach“ – im Grunde ein Unwort, ein vollkommen unpassendes Zusammenwerfen zweier Begriffe, die so, wie sie gebraucht werden, nicht zusammengehören.

Wer dieses Begriffspaar vermeintlich gedankenlos benutzt, kann beim genaueren Hinschauen auf seinen eigenen Antrieb dazu vielleicht entdecken, dass damit nicht nur ganz bequem lästige und kostenintensive Mitbürger in eine entsprechende Schublade gesteckt werden können – man tut sich selbst, in der festen Meinung, eben nicht dazu zu gehören, eben auch noch etwas richtig Gutes. Man stellt sich in der Regel durch den Gebrauch eben dieser Wort-Kombination deutlich und abgegrenzt über die solcherart betitelte Gruppe. 

Und deshalb benutzt man solche Euphemismen eben gerne: Man möchte etwas bestimmtes ausdrücken, weil das aber anstößig sein könnte, kleidet man seine Meinung in ein pseudowissenschaftliches Mäntelchen.

Was steckt denn wirklich dahinter? Es ist eben die altbekannte Dualität von "die" und "wir".
Die Guten und die Schlechten, Stützen der Gesellschaft und unnütze Biber, die an deren Stamm nagen…
 
Frangipani1962 20.08.2022 12:56
Maskentanz, ich bin "der große Ausbruch aus der Schublade" und habe trotzdem einen guten Weg gemacht im Leben. Ich werde ,by the way, in 3 Wochen 60.
Du hast sicher deine Perspektive. 
Es geht hier auch weniger um die Schubladen persé, sondern um die "Etiketten" der Schubladen, die das Leben jedes Einzelnen möglichst respektvoll darstellen sollen.
 
Thohom 20.08.2022 12:57
Wie wär es damit?

Old school.....Selbstständige, Angestellte, Beamte, Arbeiter, Leistungsempfänger?

Ich finde, hier wird um des Kaisers Bart diskutiert.
 
Maskentanz 20.08.2022 13:00
Tut mir leid Frangipani, aber ich verstehe gerade nicht, was du genau meinst 🙈? 
 
CookieJulez 20.08.2022 13:09
Tommie...Wozu diskutieren wir eigentlich? Du bringst es IMMER auf den Punkt!!!

Ich habe dazu nichts hinzuzufügen. Du hast einfach recht.
 
Frangipani1962 20.08.2022 13:10
Sorry Maskentanz, das war vielleicht  zu "blumige Sprache".
Mit Etiketten meinte ich die Begriffe (sozial schwach, bildungsfern ect...), mit denen Menschen belegt (in Schubladen gesteckt)werden. Diese sollte m. M.   n. respektvoller sein.
 
Frangipani1962 20.08.2022 13:15
Tommie53, danke für deinen ausführlichen Post. 👍 
Es sei noch ergänzend hinzu gefügt, dass die Gewässer bald überfüllt sein werden von den Bibern. Sie  müssen sich dann auf Nahrungssuche machen...
 
CookieJulez 20.08.2022 13:16
Es ist immer ein Unterschied, ob man von anderen in eine Schublade gesteckt WIRD, oder ob man selbst für sich eine Bezeichnung wählt. Das gilt für alle Bereiche von Identität - meiner Meinung nach.
 
Maskentanz 20.08.2022 13:16
Ahhh, danke Frangipani. 

Ich finde ja den von Tommie sehr zutreffend 👍.
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