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Hodscha Nasreddin

Hodscha Nasreddin
Die Geschichte von Esel, Vater und Sohn

Ein Vater zog mit seinem Sohn und mit einem Esel in der Mittagsglut durch die staubigen
Gassen von Keshan. Der Vater saß auf dem Esel, den der Junge führte. „Der arme Junge“,
sagte da ein Vorübergehender. „Seine kurzen Beinchen versuchen mit dem Tempo des
Esels Schritt zu halten. Wie kann man so faul auf dem Esel herumsitzen, wenn man sieht,
dass das kleine Kind sich müde läuft?“ Der Vater nahm sich dies zu Herzen, stieg hinter der
nächsten Ecke ab und ließ den Jungen aufsitzen. Gar nicht lange dauerte es, da erhob
schon wieder ein Vorübergehender die Stimme: „So eine Unverschämtheit. Sitzt doch der
kleine Bengel wie ein Sultan auf dem Esel, während sein armer, alter Vater nebenher läuft.“
Dies schmerzte den Jungen, und er bat den Vater, sich hinter ihn auf den Esel zu setzen.
„Hat man so etwas schon gesehen?“ keifte eine verschleierte Frau. „Solche Tierquälerei!
Dem armen Esel hängt der Rücken durch, und der alte und der junge Nichtsnutz ruhen sich
auf ihm aus, als wäre er ein Diwan, die arme Kreatur!“ Die Gescholtenen schauten sich an
und stiegen beide, ohne ein Wort zu sagen, vom Esel herunter. Kaum waren sie wenige
Schritte neben dem Tier hergegangen, machte sich ein Fremder über sie lustig: „So dumm
möchte ich nicht sein. Wozu führt ich denn den Esel spazieren, wenn er nichts leistet, euch
keinen Nutzen bringt und noch nicht einmal einen von euch trägt?“ Der Vater schob dem
Esel eine Handvoll Stroh ins Maul und legte seine Hand auf die Schulter seines Sohnes.
„Gleichgültig, was wir machen“, sagte er, „es findet sich doch jemand, der damit nicht
einverstanden ist. Ich glaube, wir müssen selbst wissen, was wir für richtig halten.“


Frei nach: Nasreddin Hodscha 666 wahre Geschichten. Hrsg: Ulrich Marzolph, München, 1996, S. 196f

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Junggebliebene 26.01.2023 12:54
Wie Hodscha Nasreddin einem Kaufmann
vor Gericht half
Auf der Reise in ein fernes Land übernachtete ein Kaufmann in einer
Raststätte an der Karawanenstraße1.
Der Wirt brachte ihm ein Huhn, zwei Eier und ein halbes Brot. Das
Pferd bekam einen Arm voll Heu.
Der Kaufmann wollte am nächsten Morgen sehr früh abreisen. Darum
sagte er zum Wirt: „Ich komme auf der Rückreise wieder vorbei. Dann
bezahle ich.“
Nach drei Monaten kam der Kaufmann von seiner Reise zurück. Er
bekam wieder ein Huhn, zwei Eier und ein halbes Brot, das Pferd bekam
wieder einen Arm voll Heu.
„Nun sag, lieber Wirt, was ich für das Essen bezahlen muss!“
„Du hast eine große Rechnung zu bezahlen, mein Freund! Aber ich
glaube, du bist nicht geizig. Lege also zweihundert Silbertaler auf den
Tisch! Dann kannst du weiterreisen!“
Der Kaufmann erschrak. „Das ist doch nicht möglich! Zwei Hühner und
vier Eier kosten niemals zweihundert Silbertaler. Was soll dieser Spaß?“
„Das ist kein Spaß“, sagte der Wirt. „Ich will es dir erklären: Das Huhn,
das du zuerst gegessen hast, hätte mir drei Monate lang viele, viele Eier
gelegt. Aus diesen Eiern hätten viele Küken schlüpfen können. Die Kü-
ken wären dann Hühner geworden. Diese Hühner hätten wieder viele,


viele Eier gelegt. Der Wert von allen Eiern, Küken und Hühnern beträgt
zweihundert Silbertaler. Nun weißt du alles.“
Der Kaufmann ging zum Gericht und klagte gegen den unverschämten
Wirt. Der Richter fragte den Kaufmann: „Hast du den Wirt vor drei Mona-
ten gefragt, wie teuer das Huhn und die Eier sind?“
„Nein, denn ich wusste, dass ein Huhn und zwei Eier nur wenig kos-
ten.“
„Hast du beim zweiten Mal nach dem Preis gefragt?“, wollte der Rich-
ter dann wissen.
„Nein“, antwortete der Kaufmann.
Da verurteilte der Richter den Kaufmann. Er musste die zweihundert Sil-
bertaler bezahlen.

Nun bat der Kaufmann den Hodscha Nasreddin um Hilfe. Nasreddin
brachte den Streitfall noch einmal vor das Gericht.
Als die neue Gerichtsverhandlung begann, fehlte der Hodscha absicht-
lich. Der Richter war wütend und verschob die Verhandlung ein paar
Stunden. Dann ließ er Nasreddin holen.
„Unverschämter! Warum hast du das hohe Gericht warten lassen?“,
schimpfte der Richter.
„Ich will es gern erklären“, sagte der Hodscha. „Als ich vorhin zum Ge-
richt gehen wollte, kam mein Diener zu mir. Er wollte den Saatweizen
abholen. Da habe ich schnell ein paar Säcke Weizen in einem großen
Kessel abgekocht. Nun sät der Diener den gekochten Weizen auf mein
Feld.“
„Habt ihr schon einmal solchen Unsinn gehört?“, fragte der Richter die
Beisitzer. „Dieser Mann lässt gekochten Weizen aussäen. Können aus
gekochten Körnern Pflanzen wachsen?“
Da fragte Nasreddin: „Können gebratene Hühner Eier legen? Können
aus gekochten Eiern Küken schlüpfen?“
Und damit hatte er gewonnen.
 
Klaus1957 26.01.2023 15:12
Ganz herzlichemnm Dank für die Geschichten. Mega 😍
 
Klaus1957 26.01.2023 15:12
herzlichen, natürlich.
 
Junggebliebene 26.01.2023 15:41
Danke
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