Leeres Nest
08.06.2023 08:34
Leeres Nest
08.06.2023 08:34
Leeres Nest
Mein Familiennest ist schon seit 10 Jahren leer, meine Kinder sind schon lange flügge und stehen - Gott sei Dank - inzwischen selbstständig mit beiden Beinen mitten im Leben. Das freut mich zutiefst und ich bin auch ein wenig stolz auf sie. Zumal sie sich ganz schön weit aus dem heimischen Nest herausgewagt und sich dadurch ganz neue Horizonte erobert haben. Die auch meinen Horizont ein wenig erweitern.
Trotzdem überfallen mich immer noch ab und zu Gefühle der Traurigkeit und Verlassenheit. Für diese Gefühlslage haben amerikanische Soziologen in den sechziger Jahren sogar einen Namen erfunden: “Empty-Nest-Syndrom". Den meisten Eltern geht es nicht nur gut, wenn das erklärte Erziehungsziel erreicht ist und die Kinder beginnen, ihr eigenes Leben zu führen und zu gestalten. Aber nach 10 Jahren? Immer noch traurig? Darf ich das überhaupt? Was stimmt denn nicht mit mir?
Diese quälenden Fragen haben sich seit einer Woche glücklicherweise erübrigt.
Ich habe wieder ein Nest.
Direkt vor meiner Terrasse hat sich ein Amselpärchen meinen kleinen Apfelbaum zum Nisten ausgesucht. Zuerst flogen die beiden wie Kamikazeflieger in das - zu der Zeit noch - dichte Blattwerk hinein und ich wunderte mich nur.
Inzwischen hat das Bäumchen ganz schön Federn gelassen und ich habe freie Sicht auf das Nest, in der die Amselmutter geduldig brütet. Während der Amselvater Wache schiebt und jeden beschimpft, der sich zu nahe an sein Weibchen heranwagt. Ab und zu besucht er sie auch und quetscht sich irgendwie neben sie.
Und wieder wundere ich mich: Warum hat dieses Pärchen die Sichtschneise ausgerechnet zu meiner Terrasse hin freigeflogen? Extra für mich? Oder liegt es doch daran, wie studierte Biologen behaupten, dass meine Terrasse nördlich des Nestes liegt und daher der Schutz des Blattwerkes vor direkter Sonneneinstrahlung weiterhin gewährleistet ist? Falls diese akademische These zutreffen sollte: Woher wissen die nistenden Amseln das, so ganz ohne Architekturstudium?
Fragen über Fragen!
Ein Freund, mit dem ich meine Beobachtungen und Gefühle teile, erwiderte mir lediglich lapidar: “Schirin, du hast jetzt einen Vogel und brauchst nicht mehr traurig zu sein!” 😉
Wie wahr!
Allerdings habe ich inzwischen schon mehr, als nur einen Vogel. 😉 😉 😉
Gott sei Dank!
Trotzdem überfallen mich immer noch ab und zu Gefühle der Traurigkeit und Verlassenheit. Für diese Gefühlslage haben amerikanische Soziologen in den sechziger Jahren sogar einen Namen erfunden: “Empty-Nest-Syndrom". Den meisten Eltern geht es nicht nur gut, wenn das erklärte Erziehungsziel erreicht ist und die Kinder beginnen, ihr eigenes Leben zu führen und zu gestalten. Aber nach 10 Jahren? Immer noch traurig? Darf ich das überhaupt? Was stimmt denn nicht mit mir?
Diese quälenden Fragen haben sich seit einer Woche glücklicherweise erübrigt.
Ich habe wieder ein Nest.
Direkt vor meiner Terrasse hat sich ein Amselpärchen meinen kleinen Apfelbaum zum Nisten ausgesucht. Zuerst flogen die beiden wie Kamikazeflieger in das - zu der Zeit noch - dichte Blattwerk hinein und ich wunderte mich nur.
Inzwischen hat das Bäumchen ganz schön Federn gelassen und ich habe freie Sicht auf das Nest, in der die Amselmutter geduldig brütet. Während der Amselvater Wache schiebt und jeden beschimpft, der sich zu nahe an sein Weibchen heranwagt. Ab und zu besucht er sie auch und quetscht sich irgendwie neben sie.
Und wieder wundere ich mich: Warum hat dieses Pärchen die Sichtschneise ausgerechnet zu meiner Terrasse hin freigeflogen? Extra für mich? Oder liegt es doch daran, wie studierte Biologen behaupten, dass meine Terrasse nördlich des Nestes liegt und daher der Schutz des Blattwerkes vor direkter Sonneneinstrahlung weiterhin gewährleistet ist? Falls diese akademische These zutreffen sollte: Woher wissen die nistenden Amseln das, so ganz ohne Architekturstudium?
Fragen über Fragen!
Ein Freund, mit dem ich meine Beobachtungen und Gefühle teile, erwiderte mir lediglich lapidar: “Schirin, du hast jetzt einen Vogel und brauchst nicht mehr traurig zu sein!” 😉
Wie wahr!
Allerdings habe ich inzwischen schon mehr, als nur einen Vogel. 😉 😉 😉
Gott sei Dank!
Kommentare
Weitblick 08.06.2023 08:40
Eine wunderschöne Geschichte! Alles im Leben hat einen Sinn!
58Laura 08.06.2023 08:51
Ja wunderbar, deine story und Beobachtungen. Das mit deiner freien Sicht zum Nest hat sicher den schon vermuteten Grund, dein Haus liegt nördlich des Bäumchens, so dass die Sonne nicht so heizen kann weil das Nest durch Blätter geschützt ist. 😎
Schirin 08.06.2023 09:00
@ weitblick: vielleicht vordergründig nicht alles im Leben, aber mit etwas Glück und Gottvertrauen kann man scheinbar Sinnlosem Sinn geben.
@ Laura: Das ergibt Sinn
@ Laura: Das ergibt Sinn
(Nutzer gelöscht) 08.06.2023 09:02
Deine Geschichte gefällt mir sehr, Schirin!
Alles Liebe dir!
Alles Liebe dir!
Weitblick 08.06.2023 09:29
Alles, was wir erleben, machen, und fühlen hat einen Sinn.
Manches verstehen wir sofort.
Manches verstehen wir erst später.
Manches werden wir vielleicht nie verstehen.
Trotzdem macht alles einen Sinn!
Das ist unsere einzige wirkliche Sicherheit im Leben!
Daran glaube ich. Das ist meine Glaube!
Manches verstehen wir sofort.
Manches verstehen wir erst später.
Manches werden wir vielleicht nie verstehen.
Trotzdem macht alles einen Sinn!
Das ist unsere einzige wirkliche Sicherheit im Leben!
Daran glaube ich. Das ist meine Glaube!
sophi1 08.06.2023 09:31
Hallo Schirin, schön, dich mal wieder zu lesen.
Deine Gedanken, die übrigens auch mich intervallmäßig überfallen, poetisch verpackt und schon zu lesen.
Iwann sind unsere Kids flügge und manchmal steht ein Rollentausch an. Dazwischen aber muss-kann man wieder zu sich selber finden.
Solange die Vögelchen gern das Nest und seine Wärme ab und an suchen, kann ich damit gut leben. 😀
Hauptsache es geht ihnen gut und sie können ihre Vorstellungen verwirklichen und ein Menschen-würdiges Leben führen. Egal wo auf der Welt.
Alles Liebe dir!
Deine Gedanken, die übrigens auch mich intervallmäßig überfallen, poetisch verpackt und schon zu lesen.
Iwann sind unsere Kids flügge und manchmal steht ein Rollentausch an. Dazwischen aber muss-kann man wieder zu sich selber finden.
Solange die Vögelchen gern das Nest und seine Wärme ab und an suchen, kann ich damit gut leben. 😀
Hauptsache es geht ihnen gut und sie können ihre Vorstellungen verwirklichen und ein Menschen-würdiges Leben führen. Egal wo auf der Welt.
Alles Liebe dir!
(Nutzer gelöscht) 08.06.2023 10:41
Für mich war das alles sehr schlimm, denn ich war viele Jahre allein erziehend und hatte doch sehr mein Leben auf meinen Sohn abgestellt. Als er dann "plötzlich" weg war, ist mein Gerüst, durchzuhalten, zerbrochen.
Es hat einige Jahre gedauert, bis ich wieder etwas Sinn in meinem Leben gefunden habe. Ich hatte zwar keine Vögel, aber einen Hund, der mich brauchte (oder umgekehrt?).
Es hat einige Jahre gedauert, bis ich wieder etwas Sinn in meinem Leben gefunden habe. Ich hatte zwar keine Vögel, aber einen Hund, der mich brauchte (oder umgekehrt?).
(Nutzer gelöscht) 08.06.2023 10:42
Danke dir für deine Geschichte, es tut gut zu wissen, dass es einigen so geht.
Ichselbst 08.06.2023 10:49
Ganz toll beschrieben! Na und die Plätze am Frühstückstisch werden sich wohl für jede Mama irgendwie leer anfühlen.
Ich habe keine Ahnung, ob das je weg geht.
Tröstlich jedoch ist, wenn die neu gebauten Nester dem eigenen von der Distanz her erträglich scheinen und weder von den Kilometern, noch aus einem persönlichen Abstand heraus unüberwindbar scheinen.
Deinen Amselkindern wünsche ich auch ein geborgenes Flüggewerden.
Die beiden nackten Spatzenkinder, die ausgerechnet vor meine Tür geplumpst sind, hatten leider plötzlich eine menschliche Stiefmama. Prächtig gediehen sind sie aber dennoch. Spaß haben sie mir bereitet, obschon ich sie letztlich nie wieder gesehen habe.😉
Ich habe keine Ahnung, ob das je weg geht.
Tröstlich jedoch ist, wenn die neu gebauten Nester dem eigenen von der Distanz her erträglich scheinen und weder von den Kilometern, noch aus einem persönlichen Abstand heraus unüberwindbar scheinen.
Deinen Amselkindern wünsche ich auch ein geborgenes Flüggewerden.
Die beiden nackten Spatzenkinder, die ausgerechnet vor meine Tür geplumpst sind, hatten leider plötzlich eine menschliche Stiefmama. Prächtig gediehen sind sie aber dennoch. Spaß haben sie mir bereitet, obschon ich sie letztlich nie wieder gesehen habe.😉
Melodien 08.06.2023 11:52
Shirin, allein sein ist sehr erholsam und wichtig, wenn man es richtig anstellt. Aber man kann auch zu lange alleine sein. Das richtige Maß einzuhalten ist auch dabei für die Gesundheit wichtig.
Schirin 08.06.2023 14:30
@ Weitblick: Vielleicht ist die Suche nach dem Sinn die vornehmste menschliche Aufgabe. Sich vorzustellen, alles sei sinnlos ist schrecklich
Schirin 08.06.2023 14:34
@ all: Danke für Eure lieben Worte und eigenen Gedanken und Erfahrungen mit leeren Nestern oder auch nestlosen Küken.
Schirin 08.06.2023 15:55
Danke Zaya, Reinhard Mey passt wirklich gut. Ich mag seine Lieder auch sehr.
Maskentanz 08.06.2023 16:20
Hach, das Familiennest 🥰. Ich bin froh, dass meine Tochter und ich ein gutes Verhältnis haben. Als sie ausgezogen ist, musste ich mich auch erst daran gewöhnen und das brauchte Zeit. Wir haben heute eine räumliche Distanz, die gut überbrückbar ist. Dieses Wochenende kommt sie mit dem Kleinen zu mir. Sie hat für sich ein gutes Umfeld geschaffen. Das lässt mich beruhigt sein.
Schirin, ich glaube, wir haben unseren Kindern gute Voraussetzungen mitgegeben und dürfen uns darüber freuen. Dennoch kenne ich auch das Gefühl, sie zu vermissen, oder in schweren Situationen nicht unmittelbar dasein zu können. Einfach mal ein Drücksler für dich 🤗.
Schirin, ich glaube, wir haben unseren Kindern gute Voraussetzungen mitgegeben und dürfen uns darüber freuen. Dennoch kenne ich auch das Gefühl, sie zu vermissen, oder in schweren Situationen nicht unmittelbar dasein zu können. Einfach mal ein Drücksler für dich 🤗.
Melodien 08.06.2023 17:15
Ganz allgemein gesprochen: die Familie kann die größte Hilfe sein, aber auch zum größten Problem werden.
Melodien 08.06.2023 17:17
Ich bin froh und dankbar, dass zwischen mir und meiner Familie die Entfernung groß genug ist.
(Nutzer gelöscht) 08.06.2023 18:53
"Was stimmt denn nicht mit mir?"
Garnix, du bist einfach gerne Mutter und das bis heute.
Und Lebewesen, die eine Mutter brauchen, gibt es immer. Es wird immer jemanden geben, für den du dasein kannst.
Garnix, du bist einfach gerne Mutter und das bis heute.
Und Lebewesen, die eine Mutter brauchen, gibt es immer. Es wird immer jemanden geben, für den du dasein kannst.
rollihexle 08.06.2023 19:04
@Uwe, du bitte nicht gar nix mehr. Wir alle hier haben unser Leben. Da braucht es deine Kommentare nicht auch noch. Was das Betteln um Entsperren betrifft, da beisst nicht nur bei mir auf Granit. 😠
rollihexle 08.06.2023 19:11
@Schirin, es tut mir leid und ich bitte dich um Entschuldigung für den Kommentar um 19:04.
Hab mich echt gefreut von Dir zu lesen. Du hast so viel Wahres geschrieben und ich schick Dir mal ne Umarmung aus der Ferne. Werde Dir dann noch ne PN senden.
Hab mich echt gefreut von Dir zu lesen. Du hast so viel Wahres geschrieben und ich schick Dir mal ne Umarmung aus der Ferne. Werde Dir dann noch ne PN senden.
lockedj 08.06.2023 19:18
Hi Schirin, schön wieder einmal etwas von dir zu lesen.😊
Ich hoffe du hast die ganzen Strapazen der letzten Monate gut überstanden!?
Mit den Kindern ist es meist so, dass sie einfach immer die Kinder bleiben,
egal, wie alt sie werden, oder weit sie es aus eigenen Kräften schaffen.
Ich habe auch noch sehr guten Kontakt, sowohl zu meinen eigenen,
als auch zu den beiden Stieftöchtern.
Ich bin schon auch sehr stolz darauf, dass alle vier es, zu etwas gebracht
haben, und vor allem, aus eigener Kraft und ohne viel Drama.
So richtig traurig finde ich es jetzt nicht, da sie ja nur außer Haus sind,
aber doch nicht aus Welt!
Ich hoffe du hast die ganzen Strapazen der letzten Monate gut überstanden!?
Mit den Kindern ist es meist so, dass sie einfach immer die Kinder bleiben,
egal, wie alt sie werden, oder weit sie es aus eigenen Kräften schaffen.
Ich habe auch noch sehr guten Kontakt, sowohl zu meinen eigenen,
als auch zu den beiden Stieftöchtern.
Ich bin schon auch sehr stolz darauf, dass alle vier es, zu etwas gebracht
haben, und vor allem, aus eigener Kraft und ohne viel Drama.
So richtig traurig finde ich es jetzt nicht, da sie ja nur außer Haus sind,
aber doch nicht aus Welt!