Leben im Ruderboot

Leben im Ruderboot
Ruderboote an sich sind für niemanden etwas Besonderes. Aber wenn wir einmal ganz genau hinschauen, dann fällt auf, dass der Ruderer mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzt, und daher im Grunde gar nicht immer sehen kann wohin seine Reise eigentlich geht...
Okay, das ist ein wenig übertrieben, da er jederzeit die Möglichkeit hat sich umzudrehen, aber eine gewisse Zeit lang fährt er praktisch ohne zu wissen wohin...
Im Rudersport haben die größeren Boote daher extra einen Steuermann, wer jedoch alleine rudert, muss selbst sehen, dass er seine Richtung beibehält...

Nicht sehen zu können wohin der Weg führt..., das kommt mir sehr bekannt vor, das erlebe ich in meinem Leben doch zumeist ganz genauso!?

Der Gedanke, dass ein Ruderboot mein Leben symbolisieren könnte amüsiert mich, aber ich kann durchaus einige Ähnlichkeiten finden...

Bedingt dadurch, dass ich im Ruderboot entgegengesetzt zur Fahrtrichtung sitze, ist mein Blick sehr oft auf die bereits zurückgelegte Wegstrecke gerichtet.
Und wie oft wandern meine Gedanken in die Vergangenheit? Wie häufig sind sie bei all jenen Dingen, die mir in den letzten Tagen nicht gelungen sind..., beim letzten Streit mit der Freundin..., bei Situationen, wo ich mich ungerecht behandelt fühlte... … …?

Und genau wie die Silhouette der Landschaft am Horizont mit größerer Entfernung unschärfer und weicher erscheint, verliert oft auch die eigene Vergangenheit ihre Ecken und Kanten... sie wird schöner. Jeder kennt sicher solche Sätze, die mit „Ja, früher...“ beginnen.

Sehr häufig verweilt mein Blick auch im Boot. Sei es, dass ich all mein Inventar betrachte..., oder dass ich nachspüre wie es mir geht... Vielleicht sind auch noch andere Menschen an Bord, und ich richte meine Aufmerksamkeit auf sie...
Von dem, was gerade links und rechts geschieht bekomme ich relativ wenig zu sehen, denn es ist anstrengend beim rudern zur Seite zu blicken...
Genauso fällt es mir manches Mal schwer im gegenwärtigen Augenblick zu bleiben, ohne mit den Gedanken noch in der Vergangenheit zu verweilen oder mir über meine Zukunft Sorgen zu machen...

Wenn ich mir viele Sorgen mache, dann werde ich mich wohl dauernd ängstlich nach hinten umdrehen, ob auch wirklich nichts passiert..., oder ich zu weit von meinem Ziel abgetrieben werde... Aber genau dann kann ich mich viel weniger auf das Rudern konzentrieren, und werde nicht nur langsamer, sondern auch leichter ein Spielball von Wind und Wellen.
Dann ist es gut, wenn ich nicht alleine in meinem Lebens-Boot sitze, sondern auch noch Freunde oder andere nahe stehende Menschen mit von der Partie sind. Wenn sie nicht gerade schlafen oder nur mit sich beschäftigt sind, kann ich darauf vertrauen, dass sie mich warnen, falls ich auf einen riesigen Eisberg zusteuere oder ein großer Schleppkahn geradewegs auf mich zukommt.

Aber wem vertraue ich, wenn ich ganz allein in meinem Boot sitze? Kann ich dann überhaupt vertrauen?

Selbst im Leben weiß ich im Grunde nie, was im nächsten Augenblick passiert. Ich kenne meinen gewöhnlichen Tagesablauf, aber wie sicher bin ich mir, dass nicht irgendetwas dazwischen kommt?
Mein Blick in die Zukunft beschränkt sich im Grunde auf Erfahrungswerte. Ich betätige den Lichtschalter und die Lampe geht an – bis auf die Male, wo die Lampe dunkel bleibt...
Manchmal gibt es auch Ahnungen, die dann eintreffen oder Reaktionen von Menschen, die ich „vorhersehen“ kann – einfach weil sie nach meiner Erfahrung bisher immer so reagiert haben.
Aber alles, wirklich alles könnte auch ganz anders sein, denn tatsächlich sehen was geschehen wird, das ist eine Gabe, die wahrscheinlich nur wenige Menschen besitzen.

Die entscheidende Frage ist viel eher: Wie denke ich über das Leben?

Bin ich der Meinung, dass es ein ewiger Kampf ist..., dass ich mir alles hart erarbeiten muss..., dass ich ständig aufpassen muss...?
Oder glaube ich viel mehr, dass das Leben mir wohlmeinend gesonnen ist..., dass es mich unterstützt..., dass es mir wie ein Freund hilfreich zur Seite steht?

Ich für meinen Teil empfinde das Leben als meinen guten Freund. Einer, der mich so liebt, wie ich in jedem Augenblick bin..., der mit mir durch Dick und Dünn geht..., der auch nicht verzweifelt, wenn ich zum dritten Mal den falschen Weg einschlage..., aber auch jemand, der mir deutlich zeigt, dass ich mich gerade auf dem Holzweg befinde...
Vor allem aber auch ein Freund, der mir in jedem Augenblick ganz nah ist.

Und wenn ich mich wirklich auf diese Freundschaft einlassen kann und meinem Leben total vertraue (was keineswegs immer der Fall ist), dann kann ich mich getrost ein wenig entspannen und meinen Blick schweifen lassen... und entdecke die vielen kleinen Wegweiser am Rande meines Weges...

Und was glaubst du von deinem Leben?

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