Mein blinder Fleck (ein Erklärungsversuch)

Weitblick

Natürlich bin ich sachlich, konstruktiv, respektvoll, liebevoll, einfühlsam, zu jeder Zeit ehrlich!

Ich bin einfach perfekt!

Wenn da nicht mein blinder Fleck wäre.
Ausgerechnet in meiner Schaltzentrale, von dem mein ganzes Agieren erfolgt, sitzt dieser Idiot. Der blinde Fleck.

Lange Zeit habe ich gedacht, meine Schaltzentrale wäre mein Gehirn. Immer wieder belehrte mich mein Leben, dort ist sie nicht.

Schade, weil mein Gehirn kann sachlich denken, ist konstruktiv und, und, und...

Die Schaltzentrale ist jedoch meine Seele, meine unerbittliche Speicherplatte. Da wird alles gespeichert, meine Lebenswunden, meine Verletzungen, meine Freuden, meine Ängste, das Gefühl der Geborgenheit, Gewalt und Liebe, die mir widerfahren ist. Kurzum, die Seele speichert einfach alles. Nichts ist ihr fremd.

Außer die Sachlichkeit. Da soll sich das Gehirn drum kümmern.

In dieser Schaltzentrale hat sich auch der blinde Fleck eingenistet. Er bietet uns einen verlockenden Service an. „Ich kümmere mich um alles“ so sein Angebot. Was er allerdings verschweigt; Der blinde Fleck schaltet und waltet, wie er will.

Ich selbst habe nichts mehr zu melden. Mein blinder Fleck ist auf Autopilot. Und so agiert er nach Lust und Laune. Bei jeder Gelegenheit lässt er die Sau raus. Er beschimpft Menschen, wenn ihm danach ist. Oft lässt er seine Wut, die er jahrzehntelang gespeichert und archiviert hat, freien Lauf.

Lange Zeit habe ich das gar nicht mitbekommen. 

Ich habe mir eingebildet, ich wäre sachlich, konstruktiv und und und. So hat mir das mein Gehirn vorgetäuscht.

In Wirklichkeit war mein Leben oft ein Blindflug.

Erst als ich mich auf die Spuren meines blinden Fleckes begeben habe, war ich in der Lage, die Kontrolle über mich Stück für Stück übernehmen.

Heute weiß ich, meine Seele ist die Schaltzentrale. 

Mein blinder Fleck ist zwar manchmal noch aktiv, aber Trigger sind nicht mehr so attraktiv für ihn.